Author Archives: Noah Gunzinger

Die Schweiz auf dem Weg zu einer nachhaltigen Winterstromversorgung? Eine Reflexion

Vertikale photovoltaik Anlage verschneit

Der vergangene Winter markierte eine mögliche Trendwende für die Schweiz in ihrem Streben nach einer nachhaltigen Energiezukunft. Mit einem Stromexportüberschuss von 1,8 Terrawattstunden (TWh), was rund 6% der winterlichen Energieerzeugung entspricht, sind wir dank Erneuerbaren vom erwarteten Defizit wieder weggerückt. Ein Hauptfaktor dieses Erfolgs war zweifellos die verstärkte Verbreitung von Photovoltaikanlagen, selbst in städtischen Gebieten. Verglichen mit 2016, als der winterliche PV-Stromerzeugung bei lediglich 0,4 TWh lag, erreichten wir diesen Winter trotz schwieriger Wetterbedingungen bereits 1,2 TWh.

Obwohl der Anteil von PV-Strom noch verhältnismässig gering ist, wird er dank der ambitionierten Ausbauziele in den nächsten Jahren weiterhin massiv steigen. Doch während wir diese Erfolge feiern, müssen wir auch die bevorstehenden Herausforderungen der Energiewende im Blick behalten. Der steigende Energiebedarf durch die Elektrifizierung von Industrie und Mobilität sowie der Rückgang der Energieerzeugung durch Atomkraftwerke stellen weiterhin grosse Herausforderungen dar.

Wie können wir diesen Herausforderungen begegnen?

Eine Sammlung von vielen Lösungsansätzen wird notwendig sein, um den erwarteten Strombedarf zu decken. Eine Möglichkeit besteht zum Beispiel darin, die Rund 2 TWh Reserve der Stauseen zu nutzen. Zusätzlich ist der kontinuierliche Ausbau erneuerbarer Energien wie Photovoltaik und Windkraft entscheidend. Während der Ausbau der Photovoltaik mit etwa 1’700 MWp pro Jahr voranschreitet, befinden sich auch viele Windkraftprojekte mit 470 MWp in Bewilligungsverfahren. Weitere Energieeffizienzmassnahmen wie die Verbesserung der Häuserdämmung tragen ebenfalls zur Reduzierung des Energieverbrauchs bei.

Wenn der Zubau erneuerbarer Energien noch an Tempo gewinnen kann, können wir hoffentlich auf die geplanten Reservekraftwerke verzichten. Diese würden benötigt zur Sicherstellung einer stabilen Winterstromversorgung. Um dieses Thema gezielt anzugehen können beispielsweise Ost-West ausgerichtete, bidirektionale vertikale PV-Anlagen eine wichtige Rolle spielen. Diese erzeugen Strom mit einem Doppelhöcker, sind folglich näher am Strombedarf,  und fast unabhängig vom gefallenen Schnee. Auch die Kombination von Photovoltaik und Windenergie ist vielversprechend.

Was können Einzelpersonen tun, um die Energiewende voranzutreiben?

Der Ausbau von PV-Anlagen auf eigenen Liegenschaften, die Beteiligung an Community-Solarprojekten und die Unterstützung von Solarbaugenossenschaften sind konkrete Schritte, die jeder Einzelne unternehmen kann, um einen Beitrag zu einer nachhaltigen Winterstromversorgung zu leisten. Wir bleiben dran, ihr auch?

Windiger Winterstrom

Windkraftanlage Verenafohren

Windkraft ergänzt Photovoltaik ausgezeichnet, da sie in den Wintermonaten und der Nacht, in denen die Photovoltaik weniger effektiv ist, oft mehr Energie produziert. Ein Blick in den Energieplanungsbericht des Kantons (2022) zeigt, dass bis zu 120 potenzielle Standorte für Windkraftanlagen als Unterstützung für die Energiewende im Kanton Zürich in Frage kommen.

Der Bau von Windkraftanlagen bringt jedoch eine Vielzahl von Herausforderungen mit sich, die oft auch emotional diskutiert werden. Bedenken über den Bau von “Autobahnen” durch Wälder für den Aufbau und die Wartung, Lärm, Vogelschlag und die visuelle Beeinträchtigung der Landschaft werden immer wieder geäussert.

Um diese Bedenken besser zu verstehen, habe ich mich persönlich vor Ort informiert. Am letzten Wochenende besuchte ich den Windpark Verenafohren, direkt an der Schweizer Grenze. Die drei aufgebauten 3,3-Megawatt-Windräder sind seit 2016 in Betrieb und liefern vor allem in den Wintermonaten eine bedeutende Menge Strom. Ich konnte keine Autobahnen durch Wälder, tote Vögel oder drückende visuelle Eindrücke feststellen. Selbst aus nächster Nähe wirkten die Anlagen weder bedrohlich noch störend. Unter den Windrädern konnte man problemlos in normaler Lautstärke Gespräche führen. Zudem wurde mir erklärt, dass modernere Anlagen durch «winglets» die lärmverursachenden Verwirbelungen nahezu vollständig reduzieren können.

Herausforderungen für den Kanton Zürich

Dies führt mich zu einer der grössten Herausforderungen in unserem Kanton Zürich: Die Zeitspanne von der Planung bis zum Bau von Windkraftanlagen beträgt oft mehr als 10 Jahre. Dies liegt unter Anderem an der Vielzahl von Gutachten und Partizipationsmöglichkeiten. Es ist bedauerlich, dass wir aufgrund dieser langen Planungszeiten oft veraltete Technologie installieren müssen. Meist muss der zu installierende Typ bereits beim Baugesuch zu Beginn der Planung festgelegt werden. Manchmal werden die geplanten Modelle zum Zeitpunkt des Baues gar nicht mehr geliefert, da diese durch effizientere oder RAM (reliability, availability, maintainability) optimierte Typen ersetzt wurden. Dies wird vor allem in den kommenden Jahren schmerzhaft sein, da wir dadurch die technischen Innovationen und Weiterentwicklungen kaum nutzen können.

Trotz dieser Herausforderungen ist es entscheidend, dass wir zügig den Ausbau der Windenergie vorantreiben, wenn wir die Energiewende erfolgreich umsetzen und den Bedarf an Winterstrom vermehrt aus heimischen Quellen decken wollen. Wer sich selbst ein Bild von den Windkraftanlagen in den Verenafohren machen möchte, kann sich hier anmelden.

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